Warum Lightroom Mobile (noch) nicht in meinen Workflow als Hochzeitsfotograf passt

Seit fünf Wochen ist Lightroom Mobile jetzt auf dem Markt – Zeit für eine erste Zwischenbilanz. Mein Eindruck: eine vielversprechende App, die zu einer sinnvollen Ergänzung auf dem Tablet werden könnte. Warum sie das in der Version 1.0 – für mich in meinem Job als Hochzeitsfotograf – noch nicht ist, erkläre ich hier.

Zum Testen der kostenlosen iPad-App (Lightroom für Android soll noch kommen) habe ich das 30-tägige Probe-Abonnement der Adobe Creative Cloud abgeschlossen. (Die Pflicht zum Cloud-Abo wäre für mich übrigens kein Grund, Lightroom Mobile nicht zu nutzen. Ich finde das Abo-Modell, gerade für Fotografen, durchaus interessant: knapp 150 Euro im Jahr für die jeweils aktuellen Versionen von Photoshop und Lightroom ist kein so schlechter Deal.)

Der große Umweg über die Cloud

Das Abo der Creative Cloud ist nämlich Voraussetzung dafür, Fotos im «mobilen» Lightroom zu bearbeiten. Lightroom Mobile ergänzt die Desktop-Anwendung nur, es ersetzt sie nicht. Es ist nicht möglich, RAW-Dateien direkt aus der Kamera auf dem iPad zu bearbeiten (daran arbeitet Adobe noch). Die Fotos nehmen den Umweg über den Rechner und die Adobe-Server. Sie landen als komprimierte «Smart Previews» auf dem iPad, was angesichts des begrenzten Speicherplatzes ja auch durchaus Sinn ergibt. Weniger Sinn ergibt, dass die Dateien nicht einfach übers lokale WLAN ausgetauscht werden, wenn sich iPad und iMac im gleichen Netz befinden (auf diese Weise spart etwa die Dropbox den Umweg über die Cloud). Womit wir auch schon bei den Gründen wären, warum Lightroom Mobile (noch) nichts für meinen Workflow als Hochzeitsfotograf ist.

Performance, Performance, Performance

  1. Der Sync: viel zu langsam. Als Hochzeitsfotograf komme ich mit einer drei- bis vierstelligen Zahl Aufnahmen von einem Job nach Hause. Es dauert Stunden, bis die mit dem iPad synchronisiert sind. Viel zu lange. (Womöglich habe ich auch immer nur die falsche Tageszeit erwischt oder die Server in Europa waren immer gerade überlastet. Aber jedes Mal: Stunden. Und ich bin da nicht der einzige.)
  2. Die Bearbeitung auf dem iPad: viel zu langsam. Und ich spreche hier vom iPad Air der aktuellen Generation – schnellere Hardware ist da also derzeit nicht auf dem Markt. Wenn ich einen Regler schiebe oder einen Button drücke, dann will ich – im Jahr 2014 – sofort das Ergebnis sehen. Auch beim Scrollen: bitte keine Gedenksekunde! Bei 1000+ Fotos nervt jede Verzögerung.
  3. Sogar die Bearbeitung auf dem PC gerät ins Stocken. Für seine Performanz ist Lightroom ohnehin nicht berühmt. Mit aktiviertem Sync fühlt sich das Arbeiten plötzlich an, als wäre die Hardware um fünf Jahre gealtert. Die Arbeit an Fotos, die Lightroom mit seinem mobilen Kompagnon synchron hält, wird träge. Eine halbe Gedenksekunde, bis die Tonwerte sich auf dem Monitor ändern, im Jahr 2014? Siehe Punkt 2.
  4. Nur ein Katalog. Lightroom Mobile erlaubt es nur, bestimmte Sammlungen (und leider auch keine Smart Collections) aus einem Katalog synchronisieren. Wechselt man den Lightroom-Katalog am Desktop, ist auch Schluss mit der Synchronisierung. Nun arbeite ich aber mit verschiedenen Katalogen auf Lightroom – allein schon um private Schnappschüsse und Jobs zu trennen. Andere machen das vielleicht anders, für mich ist dies aber eine Einschränkung, die keinen Sinn ergibt.
  5. Keine Benutzervorgaben. Lighroom Mobile hat zur schnellen Bearbeitung bereits einige Filter und Vorgaben an Bord, nicht jedoch die Presets vom Desktop. Da ich viel mit individuellen Presets arbeite, fällt die ernsthafte Bearbeitung am iPad damit vorerst flach. Auch wenn mir das alles schon zu sehr nach Instagram & Co aussieht – damit könnte ich noch am ehesten leben, schließlich führt an der Bearbeitung am großen kalibrierten Monitor am Ende eh kein Weg vorbei.

 

lightroom-mobile-hochzeitsfotograf-workflow

 

Unterm Strich bleibt alles eine Frage der Geschwindigkeit. Wären die Fotos fix auf dem Tablet und ließen sie sich auf beiden Geräten gleich schnell sichten und bearbeiten, dann wäre ich gern bereit, mit den übrigen Beschränkungen der Mobile-Version 1.0 zu leben.

Das Potenzial ist da

Denn die grundsätzliche Möglichkeit, ein paar hundert Fotos am Abend schnell auf dem Sofa sichten, sortieren und bewerten zu können, finde ich genial. Auch die Aussicht, das eigene Portfolio mit dem aktuellen Stand der Bearbeitung immer mit dabei haben zu können, fix synchronisiert über die Cloud, ist hübsch. Für schnelle Anpassungen von Belichtung oder Farben ist das Tablet durchaus brauchbar, auch zum Beschneiden oder Ausrichten braucht man weder Maus noch Tastatur. Für die Touch-Bedienung haben sich die Programmierer von Adobe einige schöne Gesten einfallen lassen, zum Beispiel das vertikale Wischen zum Auswählen oder Ablehnen eines Fotos – das geht am großen Rechner auch nicht schneller. Ich sehe da auf jeden Fall Potenzial und bin gespannt auf Updates. Wenn wir das Lightroom 1.0 von 2007 mit dem aktuellen Lr 5 auf dem PC vergleichen, wird deutlich, wie viel Luft da noch ist.

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Comment

Jürgen
18. Juni 2014
Bleibt die Frage, warum man sich das überhaupt auf dem iPad antut – ich finde, es gibt Sachen, für die wird man immer einen PC (oder ein MacBook) brauchen.
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Sunny
20. Juni 2014
Es gehört schon eine Portion Wunschdenken dazu, zu meinen das ein professioneller Workflow auf dem iPad derzeit möglich ist. Allein die Hardware steckt die Grenzen ab. Das gilt für so ziemlich alle Arbeitsbereiche im digitalen Bereich. Die iDevices sind schmucke Tech-Gadgets die von allem ein bisschen können, aber nichts davon wirklich Zuverlässig, bzw. Vollwertig. Die Hoffnung das sich daran künftig etwas ändern könnte, stirbt bekanntlich zuletzt.
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20. Juni 2014
Ich kann eure Vorbehalte ja verstehen, Jürgen und Sunny. Aber ehrlich: Spätestens seit Bentley einen kompletten Werbespot mit dem iPhone gefilmt und auf dem – im neuen Bentley Mulsanne verbauten – iPad geschnitten hat, ist das Argument, mit den Geräten könne man nicht arbeiten, eigentlich hinfällig. Oder?
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christoph
27. August 2014
ich kann die vorbehalte von jürgen und sunny nur noch als vorurteile begreifen :-). die grenzen sind gesteckt ... aber aber aber: das ipad ist immer dabei, überall, und da wäre es doch einfach super, man könnte (auch ohne WLAN!) die bilder markieren und bestichworten, eine arbeit, die ich im atelier meist nicht (richtig tiefgründig) erledige, weil noch soooo viel anderes der erledigung harrt. aber eben: das teil ist so grottenmistig langsam bei der synchronisation ... und die ganze cloud-geschichte ist sowieso totalitärer mist ... ich denke, das wird sich irgendwann nicht eben in luft auflösen, aber das geht doch allen kreativen auf den geist, diese abhängigkeit, ist ja wie die nabelschnur zu mutti adobi ...
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