Mut zur Hässlichkeit – ein Perspektivwechsel mit Frau Dinkel
Hässlichkeit? Tod? Vergänglichkeit? Das sind Sujets, die man auf den ersten Blick nicht mit einem Porträt- oder gar Hochzeitsfotografen in Verbindung bringen würde. Doch manchmal ist es gut, die Perspektive zu wechseln. Deshalb war ich für zwei Tage zu Besuch bei Katrin Dinkel in Schöneberg. Kein klassischer Foto-Workshop, mehr Therapie als Seminar.
«Wir lassen hier alle die Hosen runter», begrüßte uns Katrin Dinkel am Sonntagabend. Sie sollte recht behalten. Ich hatte gerade einen hartnäckigen Virus-Infekt aus meinem Körper geschwitzt und bereute ganz kurz, mich nicht krank gemeldet zu haben. Denn Fotografieren à la Frau Dinkel, das wurde schnell klar, ist kein Sonntagsspaziergang. Wie heißt es immer so schön: leave your comfort zone. Hier war das mal wörtlich zu nehmen.
Wollen wir nicht alle schön sein? Fotogen? Immer nur mit unserer Schokoladenseite rüberkommen? Katrin fordert den Mut zur Hässlichkeit – im Selbstporträt, jener Darstellungsform, um die doch die meisten Fotografen einen großen Bogen machen. Viele von uns stehen schließlich hinter der Kamera, weil sie sich selbst nicht gern fotografieren lassen. Und dann auch noch absichtlich hässlich, sich selbst vorsätzlich ins schlechte Licht setzen? Das fällt nicht leicht. Über die erste Runde Selbstporträts musste Frau Dinkel lachen. «Das ist doch nicht hässlich!» Also mussten wir noch mal ran. Hässlich bis es weh tut. Um dann zu verstehen: die Ästhetik liegt auch im vermeintlich Unansehnlichen. Hässlich gibt es nicht. Auch der Tod ist schön.
«Perspektivwechsel» hat Katrin Dinkel ihren Nicht-Workshop überschrieben. Das bedeutet auch, Perspektiven zu sehen und geometrisch wirken zu lassen: mal einen Schritt zurückzutreten, das Subjekt vor der Linse an die Seite zu rücken und vermeintlich störenden Objekten wie Mülleimern, parkenden Autos und Stromkabeln ihren Platz einzuräumen. Die Welt ist nicht nur sauber und rein. Und trotzdem schön. Mal sehen, vielleicht werden meine nächsten Hochzeitsreportagen ja tatsächlich ein bisschen hässlicher. Den Mut will ich aufbringen.
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